Die richtige Pferdebewegung
Was beinhaltet eigentlich „ein Pferd gesund bewegen?“ – ein brisantes Thema in der Gesellschaft.
Oft stehe ich da, trinke einen Kaffee und beobachte unsere Pferde auf den Koppeln. Haben Sie sich auch schon die Frage gestellt, worauf wir eigentlich explizit achten sollten, wenn wir unsere Pferde bewegen und welche Bewegungsmöglichkeiten im domestizierten Pferdealltag notwendig sind, damit der gesamte Organismus unserer Lieblinge gesund bleibt?
Um das zu erörtern möchte ich etwas ausholen: Man weiss, dass sich Pferde in der freien Wildbahn ca. 10 – 12 Stunden täglich im Schritt fortbewegen. Einerseits durch die Wanderungen über grössere Strecken hinweg und anderseits auch während der Fresstätigkeiten in einem kleinen Radius.
Aber ich möchte gerne eine weitere Seite beleuchten. Das Pferd ist das perfekte Konstrukt in Form des Fluchttieres rasch und schnell Geschwindigkeit zu entwickeln. Physiologisch gesehen geht das nur durch die inneren Prozesse von Freisetzung des Adrenalins und weiteren Hormonen. Die Folge davon sind sofortige Aktivitätsbereitschaft in Höchstleistung und mit allen Sinnen. Im Pferdekörperinneren wird nun sofort alles durchblutet, Muskelspannung entsteht und das Organ Lunge schöpft ihr ganzes Potential aus. Das hat die Natur so eingerichtet. Und genau dieses umgehend-plötzlich-sofortige-jederzeit ist überlebenswichtig. Etwas entzückt möchte ich hier anmerken, dass wenn ein Wolf vor dem Pferd steht, das Pferd wohl eher wenig Zeit findet sich vor dem „Speed“ noch entsprechend aufzuwärmen. Oder?
Und mit diesem Sinnbild wechseln wir zum Thema wie man das Hauspferd dem entsprechend fit halten sollte, damit der Organismus und Kreislauf langfristig in Schwung bleiben. (siehe auch https://equicted.de/6-Ideen-gegen-die-Langeweile-zum-Selbstmachen)
Diese körperliche Leistungsfähigkeit bringt nämlich auch ein Leistungsbedürfnis mit sich.
Was ich damit meine ist, dass ein Pferd täglich die Möglichkeit haben muss sich auszutoben. Bei uns auf den Koppeln läuft das immer nach dem gleichen Schema ab. Meistens nach dem Abhalftern im Vollkaracho einmal die ganze Koppellänge runterwärts, geschickt eingebaut einige Bocksprünge, Verrenkungen und ganz viel aufbrausen. Danach Kopf runter und fressen. Irgendwann kommt die beste Kumpeline / der beste Kumpel an und es wird eine Runde gespielt. In der Spielphase zeigen die Equiden auch wieder intensive Bewegungsmuster durch Steigen, Kompliment und auch viele Verrenkungen (diese allerdings auf kleinem Radius ohne viel Fortbewegung).
So halten sich die Pferde ihren Körper automatisch fit und erfüllen alle Bedürfnisse des Organismus stark und leistungsfähig zu bleiben.
Wenn ich nun den Sprung zu uns Menschen mache, dann wird jedem Kind erklärt, dass Bewegung gut tut für Körper und Geist. Wir nennen es sich austoben. „Kinder gehören raus“, so erklingen die Stimmen der Ärzte.
Und genau so ist es auch mit Pferden. Nun denn stelle ich aber in den Haltungsansichten einige Veränderungen fest (man könnte es auch modernisierte Entwicklung nennen), die mich nachdenklich machen und mir auch erklären, warum so viele Probleme mit dem Bewegungsapparat der Pferde entstehen.
Viele unserer Pferde leben bis heute in intensiver Boxenhaltung und haben gerade im Winter kaum bis gar nie die Möglichkeit sich auszutoben. Der moderne Sportreiter fürchtet sich davor, dass Beine brechen und Sehnen reißen, also geht das Pferdle nicht raus. Eine weitere Herausforderung stellen die Stallbetreiber dar, die Ihre Wiesen schonen wollen und so keinen Flecken Erde für die Winterzeit entbehren werden. Im Höchstfall kleine Quadrate. Dies bringt gerade zwei Vorteile: Wenig Wiese kaputt und das Pferd bleibt heile, denn es kann sich ja kaum drehen.
Und dann sehe ich ein weiteres Problem. Offenställe mit zu kleinen Bewegungsräumen. Unter dem Motto das Pferd kann sich frei bewegen ist der Paddock aber zugestellt mit Heuraufen, Unterständen und anderen Artgenossen. Dies macht es trotz Entscheidungsfreit unmöglich sich mal richtig zu bewegen.
Im Hinblick auf das Bewegungsbedürfnis möchte ich in den Raum stellen, dass es sich bei Fluchtdistanz (Fluchtstrecke) um 50m – 500m handelt. Das Pferd muss also diese Strecke problemlos zurücklegen können. Um das zu können muss es also quasi auch stetig „geübt“ sein und genau da entsteht nach meiner Meinung die Krux!
Ich kann mich erinnern, dass vor über 10 Jahren die Koppeln bei großen Reiterhöfen in lange eher schmale Bahnen eingeteilt waren. Ihr kennt das bestimmt auch noch, oder? Heute beobachte ich, dass viele Koppeln quadratisch angelegt werden. Es bleiben zwar die gleichen Quadratmeter in der Zahl, aber die Möglichkeit auf langer geraden zu galoppieren ist weg. Wir zwingen unsere Pferde im Quadrat zu springen, was sich in der Bewegung oftmals eher in eine Volte verändert.
Nun denn ist die Volte eigentlich gar nicht so wichtig für das Überleben, was wiederum erklärt warum man Pferden „auf der Volte gehen“ lernen muss. Würde das Pferd natürlicher Weise in Volten gehen, so wäre das für eine Flucht nicht sehr hilfreich. Es will vom Feindbild Distanzgewinnen und nicht im schönen Zirkel um den Feind herumtänzeln. Das würde sehr wenig Sinn machen!
Deshalb machen wir doch glatt die Überleitung zur Bewegung an der Longe. Ja der Ansatz ist schön, dass Pferde sich wenigstens mal an der Longe bewegen dürfen. Aber sie laufen immer leicht gebogen, manchmal mit Außenstellung, manchmal mit Innenstellung, aber gebogen! Der Pferdeköper muss sich in die Länge ziehen können. Also ist beim Longieren unbedingt darauf zu achten, dass man gerade Strecken läuft. Nehmen wir nun wieder die Distanz von ca. 50m. Mei, da müssen wir sehr schnell laufen, um unserem Pferd im Trab oder Galopp hinterherzukommen. Ich kann das jedenfalls nicht!
Sprung in die Dressurszene. Ein Viereck/ eine Halle mit Turniermassen hat 40 m x 20 m, optimaler und in den höheren Klassen 60 x 20 m. Habt Ihr Euch schon mal überlegt woher das kommen könnte? Wäre es möglich, dass die alten Reitmeister sich der Tatsache bewusst waren, dass Gangwerk erst auf einer Länge von 40 m respektive 60 m voll entfaltet werden kann, weil erst dann der ganze Organismus hochfährt?
Leider beobachte ich zu oft, dass dann an der Longe versucht wird kontrolliert zu arbeiten. Raus aus der Box, zack an die Longe, zack Stellung-Biegung-Haltung, zack Probleme im Bewegungsapparat. Oder gegenteilig, das Pferd muss sich lange einlaufen. Es läuft und läuft und läuft und jede Zuckung an Lebensfreude (weil inneres Bedürfnis abzubocken, wegen Körpergesunderhaltung) wird grandios unterbrochen und von den Profis an der Bande erntet der Longeur Lob über sein Können das grelle Pferd so gut zu kontrollieren! Und so trottet es dann seine Runde im „Pipitrab“ bis es endlich erlöst wird.
Liebe Leute, ein Pferd muss Pferd sein dürfen. Wenn man den Equiden zuschreibt selbst zu wissen, welche Bewegung in welcher Intensität die Verhältnisse zulassen, dann passiert in den wenigsten Fälle tatsächlich etwas Unschönes. Oft passieren Unfälle weil sich Mensch und Pferd nicht einig sind, das Pferd allerdings vom Innersten her angetrieben jetzt unbedingt seine Runde rasen möchte oder mal eben schnell die Capriole zeigt und der Mensch abriegelt. Oder Pferde sich so lange nicht frei bewegen konnten bis der Körper nicht mehr genug fit dafür ist und dann beim ersten Rauslassen auf das verlockende Grün, innert 5 Minuten quasi 6 Monate Bewegungsabstinenz nachgeholt werden müssen.
Also, meine klare Empfehlung für einen gesunden Pferdekörper ist: täglich mehrere Stunden freie Bewegung mit der Möglichkeit sich in der freigewählten Gangart über eine Minimumstrecke von 40 – 50 m bewegen zu können. Dann ist es nämlich zweitrangig, ob mein Pferd in einer Freilaufbox, im Offenstall oder im Aktivstall steht.
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Wer schreibt hier?
Hallo, ich bin Jeannie Gerber.
Seit meiner frühsten Kindheit stehen Pferde in meinem
Lebensmittelpunkt. Nicht nur als Passion, sondern seit nun
Mehr wie 10 Jahren vollberuflich. Meine Spezialgebiete sind
das rehabilitierende Pferdeaufbautraining und das Lösen von
Verhaltensproblemen gegenüber dem Menschen. Mit meinen
Artikeln möchte ich die Zusammenhänge von gesundem
Training und gesundem Umgang mit diesen wunderbaren
Geschöpfen beleuchten und Ihnen Tipps und Tricks für eine
harmonische und ausgefüllte Beziehung zu Ihrem Pferd mit
auf den Weg geben.
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